Vor 50 Jahren: Bob Dylans zwiespältiger Triumphzug

Die 1974er Comeback-Tour war für den legendären Musiker ein großer Erfolg in Sachen Publikumsbindung und Einnahmen. Künstlerisch bewertete er das Ereignis eher kritisch

Bob Dylan & The Band 1974, Copyright: Wikimedia Commons

Die Comeback-Tour von Bob Dylan im Januar und Februar 1974 war seine triumphale Rückkehr nach acht Jahren Tourpause. Seine letzte Tour war die Welttour 1966, die er mit den damals noch unbekannten „Hawks“, aus der später „The Band“ werden sollten, absolviert hatte. In der Zwischenzeit hatte Dylan nur noch sporadisch in der Öffentlichkeit musiziert, wie 1968 beim Tribute für den verstorbenen Woody Guthrie, 1969 beim Festival auf Isle of Wight oder 1971 bei George Harrisons „Concert für Bangladesh“. Seine Bedeutung für seine Generation und sein Mysterium wuchsen trotzdem oder gerade deswegen immer mehr. Währenddessen wurden „The Band“ zu einer der stilbildenden und erfolgreichsten amerikanischen Rockgruppen ihrer Zeit.

Der große Dylan-Hype

Die Nachricht, dass beide Acts nun wieder zusammen auf Tour gingen, schlug ein wie eine Bombe. Die Nachfrage war immens, der Hype in Publikum und Medien für die damalige Zeit fast beispiellos. Am Ende waren alle 40 Konzerte, die zwischen dem 3. Januar und 14. Februar stattfanden – teilweise wurden zwei Shows an einem Tag gespielt – restlos ausverkauft.

Die Shows hatten ein Standardformat: Ein Eröffnungsset mit sechs Liedern von Dylan mit Band, dann ein Set mit fünf Liedern von The Band, darauf folgten drei weitere Dylan & The Band-Auftritte, dann spielte Dylan ein Akustikset mit fünf Liedern, ein drei bis vier Lieder umfassendes Set von The Band und am Ende ein gemeinsames Finale. Das Publikum war hingerissen, da es alle die Songs hören konnte, die es schon so lange von Dylan nicht mehr gehört hatte: „Like A Rolling Stone“, „It Ain’t Me Babe“, „Just Like A Woman“, „Don’t Think Twice, It’s Alright“ usw. Und dazu noch der aktuelle Hit „Knockin‘ On Heaven‘s Door“ aus dem im Juli 1973 erschienenen Film „Pat Garrett & Billy The Kid“.

Die Stimmung der Konzerte gibt der am 20. Juni veröffentlichte Live-Mitschnitt sehr gut wieder. Die Begeisterung des Publikums war riesig, die Leute waren förmlich elektrisiert. Und als Dylan die plötzlich inmitten der Watergate-Affäre so aktuell gewordenen Zeilen „But even the president of the United States must have to stand naked“ aus „It’s Alright Ma“ sang, die da war der Jubel groß. Ein Moment für die Ewigkeit. Die älter gewordene Protestgeneration noch einmal ganz fest vereint mit ihrer musikalischen Leitfigur, der mittlerweile den Messias-Rang eingenommen hatte. In der Zukunft sollte das nicht mehr so oft passieren.

Dylan hatte die Dylan-Maske auf

Innenseite der LP „Before The Flood“, Copyright: Sony Music

Aber hier hatte Dylan ja auch seine Bob Dylan-Maske aufgesetzt und seine Stadion-Stimme für die großen Sporthallen intoniert. Die Musik mit The Band war druckvoll, dynamisch, mitreißend. Dylans Soli waren schnell und hart gespielt und zornig herausgeschrien. Ein großes Dylan-Fest. Alle waren am Ende zufrieden mit der Rückkehr Dylans. Nur Dylan und die Jungs von The Band nicht. Levon Helm erinnerte sich später: „Manchmal hatte ich das komische Gefühl, dass wir die Rollen von Bob Dylan und The Band spielten und das Publikum dafür bezahlte, um zu sehen, was es vor vielen Jahren verpasst hatte.“ Auch Dylan hatte Probleme mit der Rolle, die er in dieser Tour spielte, und sagte nachdenklich 1980 in einem Interview: „Als Elvis 1955 ‚That’s All Right, Mama‘ spielte, war es Sensibilität und Kraft. 1969 war es einfach pure Kraft. Dahinter steckte nichts anderes als nur Gewalt. Ich bin auch in diese Falle getappt. Nehmen Sie die Tour von 1974. Es ist ein sehr schmaler Grat, den man beschreiten muss, um mit etwas in Kontakt zu bleiben, wenn man es einmal erschaffen hat … Entweder es hält einem stand oder nicht.“

Dylan hatte gemerkt wie äußerlich ihm diese Konzerte wurden. Hatte er anfangs noch einige Songs seiner aktuellen Platte „Planet Waves“ gespielt, so blieb davon mit der Zeit nur noch das heute sich im Klassiker-Status befindliche „Forever Young“ übrig. Es war die letzte Aufführung des 1960er-Dylans.

Danach: Dylans ständige Neuerfindungen

Fortan sollte Dylan immer wieder versuchen, dieser Bob Dylan-Rolle zu entfliehen, und sich und seine Songs bei seinen Konzerten immer wieder neu erfinden. Entweder mit neuem Material und einer neuen Bühnenpersönlichkeit versehen wie bei der Rolling Thunder Review 1975/76 oder auch bei seinem aktuellen Rough & Rowdy Ways-Bühnenprogramm. Oder wenn schon retrospektiv, dann aber völlig auf links gedreht wie 1978 oder auf den Konzerten der sogenannten „Never Ending Tour“ seit 1989. Und doch bleibt diese Tour und ihr Mitschnitt „Before The Flood“ ein wichtiges Zeitdokument, das man auch heute immer noch gerne hört.

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